Trockenheit, Unwetter, Spätfrost – fast nirgendwo ist der Klimawandel so spürbar wie im Weinbau. Auch Bio-Winzerin Anna Faber bangt um ihre Reben, genauso wie um ihre Zukunft als Weinbäuerin, und denkt: Jetzt erst recht!
Die Frau auf dem Poster an der Wand spannt ihren Bizeps im blauen Arbeiterhemd, die Frau am Tisch davor presst ihren Finger in die Pipette mit der Blaulauge. We can do it!, sagt die Dame auf dem Poster. „Der ist so weit, den werden wir morgen lesen”, sagt die Winzerin in ihrem Weinkeller.
Vor 20 Jahren, als ihre Mutter das Weingut übernommen hat, da wurden die Trauben immer erst viel später von den Reben geschnitten. „Als ich früher als Kind bei der Ernte geholfen hab, haben wir im Oktober gestartet”, sagt Faber. „Da hat es oft geschneit. Damals hab‘ ich immer Handschuhe angehabt, weil es kalt war. Und jetzt steht man oft mit dem kurzen Leiberl draußen.”
Wir haben Anna Faber bei der Ernte besucht. Nimm dir 9 Minuten Zeit und sieh dir an, was Klimaveränderungen für Winzer*innen wie sie bedeuten:
Fabers Draußen, das sind die Weingärten auf den Hügeln rund um das 800-Einwohner-Dorf Eibesthal in Niederösterreich. Kirchturm, Feuerwehr, Kellergasse. Zwischen traditionellen, weißen Kellern der neue, bunte Weinkeller der Fabers. Und wenige Gehminuten entfernt, das Weingut. Ein unscheinbares Bauernhaus mit Innenhof, in dem sich ein alter Weinstock, oberschenkeldick, über eine Pergola rangt. Wo „A-la carte”-Sticker an der Tür zum Schankraum im Wintergarten kleben, wo im früheren Schweinestall längst die Winzerinnen werken und in der Einfahrt ein Lieferwagen mit der Aufschrift „Bio-Weine mit Frauenpower“ parkt.
Faber will nicht, dass ihr der Klimawandel den Job kostet
Hier im Weinviertel, Österreichs größtem Weinbaugebiet, gedeiht knapp die Hälfte des weltweiten Bestands der Rebsorte Grüner Veltliner und hier wachsen auf 8,5 Hektar auch Fabers Reben. Sie finden beste Voraussetzungen: reichhaltige Löss-, Lehm- und Schotterböden, genauso wie ein gemäßigtes Klima. Doch genau das droht, sich langsam zu ändern. Auch die Eibesthaler Winzerinnen und Winzer schmerzt der Klimawandel. Auch Faber sorgt sich um ihren Veltliner und um ihr Auskommen als Winzerin. In ihrem Blog schreibt sie: „Von Frau zu Frau: Bitte tun Sie etwas, liebe Umweltministerin Köstinger! Ich möchte nicht, dass mir der Klimawandel den Job wegnimmt.“
Die Weinlese beginnt immer früher
Dass sich das Klima auch im Weinviertel ändert, das merkt Faber auch an der Trockenheit und an den Unwettern. „Es wird nicht einfach nur wärmer und gibt weniger Niederschlag, sondern es gibt dann wieder Jahre, wo es extrem viel Niederschlag gibt. Und es gibt Wetterextreme mit Hagel oder Starkgewittern.” Darauf müssen die Winzer*innen reagieren. Faber grübelt darüber nach, wie sie Erosion am besten stoppen kann, ob sie Hagelnetze kaufen oder wie sie Bewässerung finanzieren soll, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Faber setzt auf Qualität – gerade wegen des Klimawandels
Gerade angesichts der vielen Veränderungen fühlt sich Faber in ihrer Philosophie bestätigt. „Uns ist wichtig, dass man auf Qualität setzt und nicht auf Quantität. Ich glaub, dass es in Zukunft immer schwieriger wird, auf Quantität zu setzen. Gerade wenn wir Trockenperioden haben und genauso, wenn viel Regen kommt. Es ist einfach viel schwieriger, das mit der Masse zu machen.”
Qualität, das heißt für die Fabers auch Bio. Biologischer Anbau war schon immer Thema, doch weil es mehr Arbeit bedeutet, war Bio-Bewirtschaftung für die Mutter damals allein nicht machbar. „Aber jetzt sind wir ja zu zweit”, sagt Jungchefin-Faber. Und deswegen wird heute nur mehr Kupfer-Mittel auf die Reben gespritzt. Zusätzlich legt die Winzerin großen Wert auf Handarbeit. Deswegen muss sie ihren Wein auch teurer verkaufen. Bei einem 5-Euro-Wein würde sich das nicht ausgehen. Weil Arbeitskräfte ausbeuten, das will Faber, so sagt sie, am allerwenigsten und deshalb ruft sie auch nicht mehr bei Leiharbeiterfirmen an. „Auch, dass man schaut, dass man die Natur nicht ausbeutet“, sagt Faber. „Da sind einfach Kosten dahinter, die man nicht streichen kann. Deswegen kostet unsere Flasche auch einen gewissen Preis. Wir sind kein Massenbetrieb, der das bei der Ernte mit der Maschine herunterklatscht.“
Weinbau in der Familie und mit Helfern
Ihre Leidenschaft für Weinbau entdeckt Faber erst später als andere Winzer*innen. Sie war nicht an der renommierten Weinbauschule in Klosterneuburg oder täglich mit der Mutter zwischen den Reben, sondern mit 14 lieber mit Freundinnen im Freibad, wie sie sagt. Doch bald erkennt sie, dass sie als Winzerin körperlich arbeiten, kreativ sein und reisen kann. Es folgen Praktika in Neuseeland, Australien oder Deutschland.
Heute steht noch Maria, der Name der Mutter, auf den Weinkartons, doch Anna ist bereits die Herrin über den Wein, Maria macht weiter den Vertrieb. Und bei der Weinlese rückt dann sowieso die ganze Familie aus. Oft gemeinsam mit freiwilligen Helfer*innen. Manchmal würden sogar zu viele kommen. „Gestern hat sich die Anna dann ärgern müssen”, erzählt die Mutter und lacht. Zusätzliche Hilfe holt sich Faber durch Erntehelfer*innen. Je nach Bedarf helfen zwei bis drei Asylwerber, die bereits mehrere Saisonen Fabers Trauben schneiden.
Kraft der Jugend und der Natur gegen den Klimawandel
Und was den Klimawandel anlangt: Da hofft Faber vor allem auf die Jungen, also die, die noch jünger sind als ihre Generation. Denn aktuell gäbe es zu viele andere Einflüsse auf die Politik, weshalb in Sachen Klimapolitik nichts weitergehe und auch die aktuelle Regierung viel zu zögerlich agiere. „Irgendwann werden die Streitigkeiten ums Wasser losgehen. Wenn es heißt, entweder Pool auffüllen oder der Bauer kriegt das Wasser“, sagt Faber. Aber auch unter den Winzer*innen selbst gäbe es die Ansicht, dass ein bisschen Trockenstress für die Reben gut ist und sogar besseren Wein bringt. Für Faber ist das vor allem eine angenehme Ausrede dafür, nichts gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu tun. „Die Natur hat aber auch eine gewisse Kraft. Sie passt sich an. Es geht jedes Jahr wieder weiter.“ Und daraus, sagt Faber bevor sie wieder im Keller verschwindet, ziehe sie auch für sich selbst Energie weiterzumachen.
Zur Recherche
Wir haben Anna Faber zweimal während der Weinlese Anfang Oktober in Eibesthal besucht. Wir haben versucht, sie in dieser stressigen Zeit so wenig wie möglich vom Weinlesen und -machen abzuhalten. Dabei waren wir nicht die einzigen, die sie bei der Arbeit gestört haben. Die mehrfach ausgezeichnete Winzerin verbringt schon mal ganze Vormittage damit, riesige Schwärme von Staren von ihren Trauben fernzuhalten. Wenn Anna die Vögel kommen sieht, alarmiert sie Familie und die benachbarten Weinmacher*innen springen in ihre Autos und fahren raus in die Weingärten. Dort schießt Anna dann mit Platzpatronen in den Himmel. Aber wer kann es den Tieren verübeln, schon Annas ganz unveredelte Trauben schmecken einfach gut.
Mehr über den Klimawandel im Weinbau
Warum leidet der Wein unter dem Klimawandel?
Höhere Temperaturen
Für die Traube bedeuten höhere Temperaturen, dass sie mehr Zucker produziert. Die Weine bekommen eine andere Charakteristik. Der Veltliner etwa verliert sein so geschätztes „Pfefferl“. Dass es wärmer wird, freut auch Schädlinge, die sich weiter ausbreiten und vermehren können.
Weniger Wasser
Trockenheit wird auch in Österreichs Weingärten immer mehr zum Thema. Reben können Trockenstress erleiden, das wirkt sich wiederum auf die Qualität der Trauben aus. Gerade neue Weingärten brauchen Bewässerung.
Häufigere Wetterextreme
Häufigere Hagelvorkommen sowie Spätfröste treffen die Weinbäuerinnen und -bauern immer härter. Im Jahr 2016 zerstörten Spätfrost und darauf folgender Hagel ganze Ernten. Zu den Wetterextremen zählen auch Starkregenereignisse, die mehr Bodenerosion bringen.
Was heißt eigentlich Bio-Wein?
Bio-Wein wird von Reben gekeltert, die auf ökologisch-natürliche Weise angebaut werden. D.h. ohne künstliche Zusatzstoffe und chemische Insektenschutzmittel. Bio-Winzer*innen arbeiten ökologisch nachhaltig: Sie säen zwischen den Rebstöcken spezielle Pflanzenarten, die Nützlinge anziehen, Schädlinge bekämpfen und die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern. Lediglich bei Pilzerkrankungen wie Mehltau und rotem Brenner ist es auch Bio-Winzer*innen erlaubt, schwefel- und kupferhaltige Substanzen einzusetzen. In Österreich ist Anwendung von Kupfer für konventionelle und Biobetriebe auf maximal drei Kilogramm beschränkt. Nachzulesen auch bei der Landwirtschaftskammer.
Österreich ist Europameister bei Bio-Wein-Anteil
Der biologische Weinbau gewinnt in Österreich zunehmend an Bedeutung: Während Bioweintrauben auf zwei Prozent der europäischen Weinanbaufläche kultiviert werden, ist Österreich heute mit bereits 13 % biologisch bewirtschafteten Weinflächen Spitzenreiter, schreibt das Bundesministerium.
Klimawandel bedroht Hälfte der weltweiten Weinanbaugebiete
Mindestens die Hälfte der Anbaugebiete weltweit sei in Gefahr, das berichten Forscher*innen in einer aktuellen Studie im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Sie analysierten Daten zu den elf beliebtesten Rebsorten: Cabernet Sauvignon, Chasselas, Chardonnay, Grenache, Merlot, Mourvèdre, Spätburgunder, Riesling, Sauvignon Blanc, Syrah und Trebbiano. Das Ergebnis: Bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad würden die Regionen, die für den Weinbau geeignet sind, weltweit um 56 Prozent schrumpfen, wenn sich die Zusammensetzung der Rebsorten nicht ändert. Bei einem Anstieg von vier Grad wären es gar 85 Prozent.